Die Vorstellung, dass ESG-Fonds – also solche, die ökologische, soziale und ethische Kriterien berücksichtigen – künftig auch in Rüstungsunternehmen investieren könnten, sorgt für Unverständnis und Unruhe in der Branche. Denn Rüstung und Nachhaltigkeit galten bislang als Gegensätze, ja beinahe als unvereinbare Welten. Der ESG-Gedanke basiert auf dem Prinzip, mit Kapital nicht nur Rendite zu erzielen, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Waffen jedoch stehen sinnbildlich für Zerstörung, Leid und Umweltzerstörung – eine Realität, die sich schwerlich mit den Leitlinien nachhaltigen Investierens vereinbaren lässt. Dass nun dennoch erste ESG-Fonds für Rüstungsinvestitionen geöffnet werden, ist eine Entwicklung, die nicht nur ethische Debatten anheizt, sondern auch die Beratungspraxis erheblich erschwert.
Fondsanbieter geraten dabei in einen Spagat zwischen ökonomischem Kalkül und moralischem Anspruch. Angesichts geopolitischer Spannungen und einer Aufrüstung, die in vielen Ländern wieder salonfähig wird, wächst der politische und gesellschaftliche Druck, sogenannte „verantwortungsvolle“ Verteidigungsunternehmen nicht pauschal auszuschließen. Manche Argumentieren gar, dass Waffen zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit nötig seien und somit sehr wohl einen sozialen Nutzen hätten – was sie ESG-konform machen könnte. Doch diese Argumentation bleibt hochgradig umstritten. Viele Anbieter und Berater sehen darin eine Verwässerung der ESG-Prinzipien, einen gefährlichen Dammbruch, der das Vertrauen in nachhaltige Anlageformen grundsätzlich erschüttern könnte.
Hinzu kommt die Tatsache, dass eine solche Öffnung ESG-Fonds noch schwerer verständlich macht – für Anleger wie auch für Berater. Schon heute ist die ESG-Welt komplex, geprägt von unterschiedlichen Definitionen, Ratingsystemen und einer Fülle an Strategien. Wird nun auch noch die Tür zur Rüstungsindustrie geöffnet, verlieren viele ESG-Siegel ihre Klarheit und Glaubwürdigkeit. Der Beratungsaufwand steigt, die Transparenz sinkt, und Anleger fragen sich zunehmend, wofür ein ESG-Fonds überhaupt noch steht. Dass dies nicht jeder in der Branche begrüßt, liegt auf der Hand. Viele Finanzberater, insbesondere jene mit einem traditionellen Werteverständnis, sehen ihre Aufgabe nicht darin, ethische Grauzonen zu rechtfertigen, sondern klare und saubere Anlagewege aufzuzeigen.
In der Vergangenheit war die Trennung eindeutig: Wer in Rüstung investieren wollte, tat dies über konventionelle Fonds. ESG-Investments dagegen standen für den Willen, Gutes zu bewirken – durch den Ausschluss von Branchen, die Leid verursachen oder Umweltstandards verletzen. Diese Trennung zu verwischen, wirkt nicht nur widersprüchlich, es schadet dem Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte insgesamt. Wenn alles ESG sein kann, ist am Ende nichts mehr ESG. Die Branche täte gut daran, zu ihren Prinzipien zu stehen – und nicht aus kurzfristigen Erwägungen langfristige Werte zu opfern.