Die soziale Taxonomie ist ein Konzept, das ursprünglich von der Europäischen Union (EU) ins Leben gerufen wurde, um neben der ökologischen auch die soziale Verantwortung von Unternehmen messbar zu machen. Während die sogenannte Umwelttaxonomie bereits im Jahr 2020 in Kraft trat und dazu dient, Aktivitäten von Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu bewerten, ist die Einführung der Sozialen Taxonomie ins Stocken geraten. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass neben ökologischen Aspekten wie CO₂-Reduktion und Ressourcenschonung auch soziale Kriterien wie Arbeitsrechte, faire Löhne oder die Einhaltung von Menschenrechten in den Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen verankert werden sollten.
Doch was ist aus diesem ambitionierten Projekt geworden? In den letzten Monaten ist es auffällig ruhig um die soziale Taxonomie geworden. Dabei war sie einst ein zentrales Element der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie, um den Finanzsektor dazu zu bewegen, in ethisch und sozial verantwortliche Unternehmen zu investieren. Dieses Vorhaben traf jedoch von Anfang an auf Widerstand und Skepsis aus unterschiedlichen Lagern.
Eine der größten Hürden auf dem Weg zur sozialen Taxonomie liegt in der Definition und Abgrenzung sozialer Kriterien. Während ökologische Standards wie der CO₂-Fußabdruck relativ klar und messbar sind, stellt sich die Frage, welche sozialen Aspekte als förderungswürdig gelten sollen, als weit komplexer heraus. Was bedeutet „sozial verantwortliches Handeln“? Sind faire Arbeitsbedingungen wichtiger als die Gleichstellung der Geschlechter? Und wie können diese und andere soziale Faktoren objektiv und einheitlich erfasst werden? Diese Fragen sorgen für große Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Mitgliedstaaten, Unternehmen und Finanzinstituten.
Auch die Wirtschaft selbst hat Vorbehalte gegenüber der sozialen Taxonomie. Viele Unternehmen befürchten zusätzliche Bürokratie und hohe Kosten, die mit der Umsetzung sozialer Richtlinien verbunden wären. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) könnten Schwierigkeiten haben, die komplexen Vorgaben zu erfüllen. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und zunehmendem globalen Wettbewerb scheint die Bereitschaft, zusätzliche Belastungen auf sich zu nehmen, gering zu sein. Ein weiterer Grund für das Stocken des Projekts ist die fehlende politische Einigkeit. In der EU gibt es keinen Konsens darüber, welche sozialen Standards verbindlich festgelegt werden sollten. Länder mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen haben unterschiedliche Prioritäten, was die Umsetzung erschwert. Hinzu kommt, dass soziale Fragen oft eng mit nationalen Kompetenzen verknüpft sind, was eine europaweite Harmonisierung zusätzlich erschwert.
Trotz dieser Herausforderungen ist die soziale Taxonomie jedoch keinesfalls vollständig vom Tisch. Die EU-Kommission hat das Thema zwar vorerst zurückgestellt, aber es wird weiterhin darüber diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob und wann das Projekt wieder an Fahrt aufnimmt. Klar ist jedoch, dass soziale Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle in der europäischen Politik und Wirtschaft spielt und früher oder später auch umfassender reguliert werden dürfte. Die Frage ist weniger ob, sondern wann und in welcher Form die soziale Taxonomie kommt.